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Der bahnbrechende Artikel (Herbst-2022-Mini-Erlebnis Teil 1/4)

Im Jahr 1872 veröffentlichte ein 23-jähriger Musikwissenschaftler einen Artikel, der die Fachwelt in Staunen versetzte. Darin wurde eine ganz neue Art und Weise skizziert, Musik wahrzunehmen.

Unterzeichnet war der Artikel mit „Hugibert Ries“.

Die ganze Fachwelt fragte sich: Wer ist dieser Mann?

Hugibert Ries handgeschrieben

Hugibert Ries kam aus guten Verhältnissen: Der Vater war Rittergutsbesitzer und Oberamtmann (ein heutiger Landrat) in dem kleinen thüringischen Städtchen, in dem Hugibert Ries 1849 geboren wurde.

Entsprechend viel Wert wurde in der Familie darauf gelegt, ein gutes Verhältnis zur Obrigkeit zu pflegen. Die Lebenswege der Kinder waren vorgezeichnet: Ein Bruder von Hugibert Ries wurde Generalleutnant, der andere Rittergutsbesitzer (wie der Vater) und die Schwester heiratete einen Oberhofprediger.

Für so eine Familie galten Mitte des 19. Jahrhunderts drei Selbstverständlichkeiten. Von diesen drei Selbstverständlichkeiten waren zwei angenehm, während die dritte eher unangenehm war.

Zunächst einmal profitierte man von guter Bildung. So lernte Hugibert Ries die Naturwissenschaften, die klassischen Sprachen und die Literatur in einer Klosterschule und einem Gymnasium kennen.

Weiterhin war klar, dass die gute Allgemeinbildung mit kultureller Bildung verbunden wurde: Als Sohn aus gutem Hause lernte Hugibert Ries das Klavierspielen. Und das nicht bei irgendwem, sondern bei einem ehemaligen Schüler von Franz Liszt. Das Klavierspielen und überhaupt die Musik machten dem jungen Hugibert Ries viel Freude.

Und dann gab es da die dritte Selbstverständlichkeit.

Für einen Sohn aus gutem Hause gehörte es selbstverständlich dazu, für das Vaterland in den Krieg zu ziehen.

Deshalb kämpfte Hugibert Ries in den Jahren 1870 und 1871 im deutsch-französischen Krieg.

Danach stand für ihn fest: Jetzt nur noch Musik. Er ging nach Leipzig, um Musiktheorie, Komposition und Musikgeschichte zu studieren.

Nur ein Jahr später erschien der besagte Artikel, der die Fachwelt staunen machte.

Der 23 Jahre alte Hugibert Ries baute darin ein Musiktheoriegebäude, das es so noch nicht gab.

„Musikalische Logik“ hieß sein Artikel. Die Kernaussage: Musik sei logisch, mindestens so logisch wie die Naturwissenschaften, vielleicht sogar so logisch wie die Mathematik. In der Musik gebe es „Thesen“, genau wie „Antithesen“ und „Synthesen“.

Diese Aussagen sollten die Diskussionen in der Musikwelt für Jahrzehnte prägen. Für die etablierten Musikwissenschaftler war klar: Hugibert Ries – man musste mehr über diesen jungen Wilden erfahren!

Aber: Hugibert Ries hieß nicht wirklich so. Der Name war nur ein Pseudonym.

Dahinter verbarg sich jemand, der zu einem der wichtigsten Musikwissenschaftler überhaupt werden sollte.

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