Dmitri Schostakowitsch

Symphonie Nr. 10

Erklärt nach der 5-4-3-2-1-Methode

Dauer: 50–55 Minuten
Gattung: Symphonie
Entstehungszeit: vermutlich 1953
Uraufführung: 17. Dezember 1953 (Leningrad)

Inhaltsverzeichnis

Schostakowitschs Symphonie Nr. 10 in 5 Sätzen

Die Symphonie Nr. 10 ist Dmitri Schostakowitschs erste größere Komposition nach dem Tod des sowjetischen Diktators Josef Stalin. Oft wurde das Werk daher als „Abrechnung“ mit dem Stalin-Regime gedeutet, unter dem Schostakowitsch bereits seit 1936, insbesondere aber seit der Uraufführung seiner sarkastischen, pseudo-heroischen 9. Symphonie im Jahr 1945 gelitten hatte. Zwar lässt sich diese Deutung nicht zweifelsfrei belegen, populär ist sie aber trotzdem: So wurde Schostakowitschs 10. Symphonie oft als Programmmusik beschrieben, in der Stalin, Schostakowitsch und Schostakowitschs enge Vertraute Elmira Nəzirova musikalisch porträtiert werden (siehe dazu auch die „Highlights“ unten). Die Symphonie Nr. 10 zählt neben den Symphonien Nr. 5, 7 und 9 zu den meistgespielten Symphonien Schostakowitschs.

Hinweis: Dieses Werk gehört zu den Top 100 Klassische Musik.

4 Highlights aus Schostakowitschs Symphonie Nr. 10

Highlight 1: Beginn des ersten Satzes – in „Lauerstellung“

Schostakowitschs 10. Symphonie beginnt sehr düster. Oft wurde dieser Beginn als musikalische Verkörperung von Schostakowitschs Angst vor dem Regime gedeutet. Dunkle Klangfarben sorgen jedenfalls für eine beklemmende, bedrohliche Wirkung. Es ist, als würde man etwas erwarten, von dem man unsicher ist, wie es genau aussieht:

Highlight 2: „Stalin-Thema“

Im zweiten Satz gibt es ein musikalisches Thema, das angeblich für den Diktator Stalin stehen soll. So sehen das jedenfalls mehrere prominente Musikwissenschaftler und Dirigenten, zum Beispiel auch Kurt Sanderling:

Highlight 3: dritter Satz – Schostakowitsch und Elmira

Im dritten Satz treten dann musikalische Motive hinzu, die für Schostakowitsch und dessen Vertraute Elmira Nəzirova stehen. Schostakowitsch baut die Namen mit den Tonbezeichnungen nach: „Sein“ Motiv besteht aus den (deutsch bezeichneten) Noten D, Es (klingt ausgesprochen wie „S“), C und H (für Dmitri Schostakowitsch – Sie hören es im Video bei 28:33 in Flöte und Oboe), während das Elmira-Motiv aus einer Mischung von deutsch und italienisch bezeichneten Noten zusammengesetzt ist: E-La-Mi-Re-A (Sie hören es im Video bei 30:54 im Horn). Im Lauf des dritten Satzes werden die beiden Motive vereinigt:

Highlight 4: …ein „Happy End“?

Nach all der Düsterheit beendet Schostakowitsch seine 10. Symphonie mit einem strahlenden, rasenden Schluss. Man kann diesen Schluss als blanken Sarkasmus deuten (die „aufgesetzte“ positive Schlussbotschaft, die von Künstlern des Sowjetregimes erwartet wurde). Oder aber…

…vielleicht als echte Freude über Stalins Tod? Erkennen Sie, was die Pauke uns kurz vor Schluss (52:07) nochmal „einhämmert“, damit wir es ja nicht vergessen? Es sind die „Schostakowitsch-Noten“ D, Es, C und H (siehe „Highlight 3“). Stalin ist tot – Schostakowitsch lebt:

3 Fragen und Antworten zu Schostakowitschs Symphonie Nr. 10

Frage 1: Wer brachte Schostakowitschs 10. Symphonie zur Uraufführung?

Die Uraufführung spielte das Leningrader Philharmonische Orchester. Der Dirigent war Jewgeni Mrawinski, einer der bedeutendsten Dirigenten der Sowjetunion.

Frage 2: Was erlebte Schostakowitsch zwischen 1945 und 1953?

Schostakowitsch wurde Opfer der sogenannten „antiformalistischen Säuberungen“. Im Zuge dessen verlor er beispielsweise seine Lehraufträge in Moskau und Leningrad. Seine persönliche Situation besserte sich erst, als Stalin im Jahr 1953 starb.

Frage 3: Wer war Elmira Nəzirova?

Elmira Nəzirova war eine aserbaidschanische Komponistin und Pianistin, die im Jahr 1953 in engem Briefkontakt zu Dmitri Schostakowitsch stand. Heute wird davon ausgegangen, dass Schostakowitsch tiefe Zuneigung für Nəzirova empfand (die aber unerwidert blieb), woraufhin er das Elmira-Motiv (siehe oben, „Highlight 2“) in seiner 10. Symphonie verarbeitete. Dass dieses Motiv auf Elmira Nəzirova zurückgeht, blieb fast vierzig Jahre lang ein Geheimnis zwischen Schostakowitsch und Nəzirova. Erst im Jahr 1990 machte Nəzirova das Geheimnis öffentlich.

2 empfehlenswerte Aufnahmen von Schostakowitschs Symphonie Nr. 10

Aufnahme 1: WDR Sinfonieorchester, Semyon Bychkov (Videoproduktion, 2005)

Semyon Bychkovs Schostakowitsch-Interpretationen sind einfach fantastisch. Wie er hier die einzelnen Klangfarben aus Schostakowitschs Partitur herausarbeitet…Wahnsinn. Und das WDR Sinfonieorchester nimmt Bychkovs kraftvolle Führung gerne an:

Aufnahme 2: hr-Sinfonieorchester, Stanisław Skrowaczewski (live, 2013)

Hier dirigiert eine Legende. Der 90 (!) Jahre alte Stanisław Skrowaczewski, langjähriger Musikdirektor des Minnesota Symphony Orchestra und weltberühmt für eine Referenzaufnahme von Ravels Boléro, peitscht das hr-Sinfonieorchester mit einer Verve durch Schostakowitschs Zehnte, die begeisternd ist:

1 Zitat zu Schostakowitschs Symphonie Nr. 10

Ein Bild des Wahnsinns.

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