Franz Schubert

Winterreise

Erklärt nach der 5-4-3-2-1-Methode

Dauer: ca. 70 Minuten
Gattung: Liederzyklus
Entstehungszeit: 1827
Uraufführung: 10. Januar 1828 (Wien – nur das erste Lied)

Inhaltsverzeichnis

Schuberts Winterreise in 5 Sätzen

Franz Schubert schrieb seinen Liederzyklus Winterreise in zwei Etappen: Die erste Hälfte der insgesamt 24 Lieder entstand im Februar 1827, die zweite Hälfte im Oktober 1827. Eine durchgehende Handlung ist in der Winterreise zwar nicht direkt zu erkennen, die 24 Lieder können aber als 24 Stationen eines jungen Wanderers aufgefasst werden (mehr dazu unten bei den „Fragen und Antworten“). Das emotionale Motiv, das sich durch den gesamten Zyklus zieht und von Schubert eindrücklich musikalisch dargestellt wird, ist der menschliche Schmerz. Die Winterreise wurde daher auf vielfache Arten gedeutet, beispielsweise im Zusammenhang mit Schuberts persönlichen Problemen sowie mit der unterdrückenden politischen Situation im damaligen Wien (Kanzler Metternich).

Hinweis: Dieses Werk gehört zu den Top 100 Klassische Musik.

4 Highlights aus Schuberts Winterreise

Highlight 1: Gute Nacht

„Gute Nacht“ heißt das erste Lied des Zyklus und mit der berühmten ersten Textzeile ist der ganze Kontext eigentlich sofort klar: „Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh‘ ich wieder aus“. Unser Wanderer, dem wir die nächsten 24 Lieder lang folgen werden, verlässt enttäuscht die Stadt:

Highlight 2: Der Lindenbaum

Dieses Lied ist sehr bekannt, denn es avancierte mit der Zeit zum Volkslied. Das lyrische Ich wandert an einem Lindenbaum (in der Romantik oft ein Symbol für Heimat und Geborgenheit) vorbei und muss vor Ergriffenheit die Augen schließen.

Dieses Lied ist eine von mehreren Stellen in der Winterreise, an der das lyrische Ich die theoretische Möglichkeit hätte, umzukehren. Man „hofft“ fast darauf, denn irgendwie hat man doch von Anfang an das Gefühl, dass diese Wanderung kein gutes Ende nimmt. Aber es kommt, wie es kommen muss. Das lyrische Ich schließt die Augen, wandert am Lindenbaum vorbei und die Winterreise geht weiter:

Highlight 3: Krähe

Nun sind wir schon ziemlich weit fortgeschritten auf unserer Winterreise. Das lyrische Ich wird immer weniger zurechnungsfähig. Hier spricht es eine Krähe (ein Symbol des Todes) direkt an und verlangt von ihr „Treue bis zum Grabe“. Schubert setzt das Umherflattern der Krähe musikalisch mit kleinen, schnellen Umspielungsbewegungen im Klavier um:

Highlight 4: Der Leiermann

Das letzte Lied des Zyklus ist für mich trotz (oder vielleicht gerade wegen) der sparsamen musikalischen Mittel eines der aufwühlendsten Lieder, die ich kenne. Ich bekomme da jedes Mal eine Gänsehaut. Das lyrische Ich sieht einen alten Leiermann, der barfuß auf dem Eis stehend seine Leier dreht. Mit den zwei hoffnungslosen Fragen „Wunderlicher Alter, soll ich mit dir geh‘n?“ und „Willst zu meinen Liedern deine Leier dreh‘n?“ endet Schuberts Winterreise:

3 Fragen und Antworten zu Schuberts Winterreise

Frage 1: Was ist der Inhalt der Winterreise?

Im Zentrum von Schuberts Winterreise steht ein junger Mann, der gerade von seiner Geliebten zurückgewiesen wurde. Er verlässt daher die Stadt, in die er „fremd eingezogen“ ist und nun auch wieder „fremd auszieht“ (Nr. 1). Es ist Winter und der junge Mann wandert durch Schnee, Kälte und Dunkelheit. Die gesamte Winterreise kann man als kontinuierlichen Abstieg betrachten (was interessanterweise Mozarts Don Giovanni recht ähnlich ist). Am Ende trifft der junge Mann den Leiermann (den Tod?) – ein schauriges Ende.

Frage 2: Wer schrieb den Text zur Winterreise?

Der Text zur Winterreise stammt von Johann Ludwig Wilhelm Müller (1794–1827), einem deutschen Dichter und Schriftsteller sowie Zeitgenossen Franz Schuberts. Von ihm stammt auch das bekannte Gedicht „Das Wandern ist des Müllers Lust“. Schubert und Müller sind sich vermutlich nie persönlich begegnet; es ist noch nicht einmal nachweisbar, dass Müller Schuberts Vertonung seiner Texte kannte.

Frage 3: Was symbolisiert der Ausdruck „gefrorene Tränen“?

Das dritte Lied der Winterreise trägt den Titel „Gefrorene Tränen“. Der Ausdruck symbolisiert die Isolation und Verzweiflung des Wanderers, der im Mittelpunkt der Winterreise steht: Seine Tränen dringen zwar „glühend heiß“ aus seinem Inneren hervor, werden dann aber selbst zu Eis, statt das Eis zu schmelzen.

2 empfehlenswerte Aufnahmen von Schuberts Winterreise

Aufnahme 1: Ian Bostridge, Saskia Giorgini (live, 2016)

Der Tenor Ian Bostridge und die Pianistin Saskia Giorgini sind tolle (und bestens informierte) Schubert-Interpreten. Ihnen gelingt hier etwas, das für eine überzeugende Interpretation der Winterreise entscheidend ist: Sie spielen nicht nebeneinander her, sondern verschmelzen zu einer Einheit. Das Ergebnis ist eine der berührendsten Winterreise-Aufführungen, die ich kenne:

Aufnahme 2: Jonas Kaufmann, Helmut Deutsch (live, 2004)

Hier musizieren zwei Stars ihres Fachs zusammen: Jonas Kaufmann singt und Helmut Deutsch spielt Klavier. Diese Aufnahme ist inzwischen zu einem Klassiker geworden:

1 Zitat zu Schuberts Winterreise

Wunderlicher Alter, soll ich mit dir geh’n? Willst zu meinen Liedern deine Leier dreh’n?

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. V. Haab

    Bitte korrigieren Sie den zweimal abgedruckten Textfehler aus dem Schluss des Leiermanns: „…willst zu[!] meinen Liedern deine Leier drehn?“. Danke.

  2. Rudi Frühwirth

    Hotter und Moore, für mich die allerbeste Aufnahme.

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