Franz Liszt

H-Moll-Sonate

Erklärt nach der 5-4-3-2-1-Methode

Dauer: ca. 30 Minuten
Gattung: Sonate (als „Multiple-Function-Form“)
Entstehungszeit: 1849–1853
Uraufführung: 22. Januar 1857 (Berlin)

Inhaltsverzeichnis

Liszts H-Moll-Sonate in 5 Sätzen

Die Klaviersonate in h-Moll (oft: „H-Moll-Sonate“) von Franz Liszt gilt als eine der technisch schwierigsten Kompositionen für Klavier überhaupt. Liszt, der als bedeutendster Klaviervirtuose seiner Zeit alle Klaviersonaten von Beethoven auswendig beherrschte, strebte in diesem Werk danach, die (Beethovensche) Tradition mit Fortschrittlichem zu verbinden. Gelungen ist dies vor allem, was die Form der H-Moll-Sonate betrifft: Im Mittelpunkt stehen fünf musikalische Gedanken, die so miteinander kombiniert werden, dass sich eine sogenannte „Multiple-Function-Form“ (auch: „Mehrsätzigkeit in der Einsätzigkeit“) ergibt – die Grenzen zwischen den einzelnen Sätzen verschwimmen also, auch deshalb, weil die Sätze fließend ineinander übergehen. Franz Liszt widmete das Werk Robert Schumann (dessen Frau Clara von der Wirkung der H-Moll-Sonate eher irritiert war – siehe das Zitat unten), der Klaviervirtuose und Dirigent Hans von Bülow spielte die Uraufführung.

Hinweis: Dieses Werk gehört zu den Top 100 Klassische Musik.

4 Highlights aus Liszts H-Moll-Sonate

Highlight 1: Gespenstischer Anfang

Liszt lässt seine H-Moll-Sonate mit einem „Gerüst“ beginnen, das viele Möglichkeiten zur Entwicklung offenlässt. Das Einleitungsthema besteht nicht aus vollen Harmonien, sondern nur aus Oktaven. Wenn man diesen Beginn für Orchester arrangieren würde, würde man das Thema vielleicht den Violoncelli und Kontrabässen geben – und hätte plötzlich einen Beginn, der Schuberts „Unvollendeter“ sehr ähnlich wäre:

Highlight 2: Große Bögen

Liszt baut aus den Oktaven vom Anfang alles, was man sich nur vorstellen kann. Zum Beispiel auch große melodische Bögen, ungefähr in der Mitte des Werks. Schon das ist wirklich nicht leicht zu spielen…

Highlight 3: Technische Meisterschaft

…aber wenn die Oktaven vom Beginn (Highlight 1) dann als Imitationen ineinandergreifen, wird’s wirklich übel:

Highlight 4: Gespenstischer Schluss

Ganz am Ende offenbart sich die Aufgabe des „gespenstischen Anfangs“ (Highlight 1). Er kehrt am Ende wieder und bildet damit die formale Klammer des Werks! Daraus ergibt sich eine damals ungewöhnliche Wirkung: Ausgerechnet Franz Liszt, der große Klaviervirtuose, lässt seine Sonate nicht mit einem stürmischen Höhepunkt oder einem lauten Knall enden, sondern lässt die Musik in die Stille entschwinden:

3 Fragen und Antworten zu Liszts H-Moll-Sonate

Frage 1: Was sind die wichtigsten Aufnahmen von Liszts H-Moll-Sonate?

Im Lauf der Zeit haben sich einige Aufnahmen von Liszts H-Moll-Sonate zu Klassikern entwickelt. Dazu zählen die Einspielungen von Horowitz (atemberaubend schnell), Zimerman (große Kontraste), Gilels (filigran), Pogorelich (mit großen Freiheiten) und Bolet (beeindruckend entspannt).

Frage 2: Wie wurde Liszt zum Virtuosen?

Franz Liszt hatte nur einen einzigen Klavierlehrer, nämlich Carl Czerny. Danach entwickelte er seine Technik größtenteils selbst gemäß seinen eigenen Bedürfnissen weiter, was schließlich zu seiner ziemlich einzigartigen Klaviertechnik wurde.

Frage 3: Was ist eine Multiple Function Form?

In einer Multiple Function Form werden innerhalb eines Werks mehrere Formen miteinander kombiniert. Im Fall von Liszts H-Moll-Sonate ist es beispielsweise so, dass das Werk insgesamt eine Sonate ist (bestehend aus drei Teilen), wobei der zweite Teil selbst wiederum als Sonate betrachtet werden kann. Man hat also sozusagen eine „Sonate in der Sonate“.

2 empfehlenswerte Aufnahmen von Liszts H-Moll-Sonate

Aufnahme 1: Valentina Lisitsa (Videoproduktion, 2015)

Valentina Lisitsas Interpretation ist (wie immer) voller Überraschungen, hochvirtuos und mit vollem Klavierklang. Hervorzuheben ist hier allerdings auch die überragende Qualität des Instruments – man beachte den gewaltigen Bassklang (zum Beispiel bei 03:19):

Aufnahme 2: Krystian Zimerman (Studio, 1991)

Diese Einspielung von Krystian Zimerman ist inzwischen zu einem Klassiker geworden. Viele sagen, das ist Liszts H-Moll-Sonate in einer Perfektion, die nie wieder erreicht werden wird. Tatsächlich gelingt es Zimerman, die großen Kontraste dieses Werks – rohe Gewalt und große melodische Bögen – überzeugend herauszuarbeiten:

1 Zitat zu Liszts H-Moll-Sonate

Liszt sandte heute eine an Robert dedizierte Sonate und einige andre Sachen mit einem freundlichen Schreiben an mich. Die Sachen sind aber schaurig! Brahms spielte sie mir, ich wurde aber ganz elend. … Das ist nur noch blinder Lärm – kein gesunder Gedanke mehr, alles verwirrt, eine klare Harmoniefolge ist da nicht mehr herauszufinden! Und da muß ich mich nun noch bedanken – es ist wirklich schrecklich.

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