Was bedeutet Artikulation in der Musik? Die Artikulation beschreibt zwei Dinge: Erstens, wie ein Ton gebildet wird, zweitens, wie mehrere Töne miteinander verbunden werden. Im Folgenden finden Sie eine genauere Erklärung der Artikulation in der Musik, eine Übersicht über die wichtigsten Artikulationsarten mit passenden Hörbeispielen (und einem Spickzettel!) sowie die Beantwortung der wichtigsten Fragen.
Das lesen Sie in diesem Artikel:
Artikulation (Musik) – Bedeutung
Beginnen wir mit einem einzelnen Ton: Ein Ton ist ein Klangereignis in der Zeit. Dieses Ereignis kann lang oder kurz dauern. Schematisch sehen ein langer und ein kurzer Ton so aus:
In der Musik benötigt man ein Werkzeug dafür, um anzugeben, wie lange oder wie kurz ein Ton erklingen soll. Dieses Werkzeug ist die Artikulation.
Die Artikulation in der Musik gibt an, wie lange oder wie kurz ein Ton erklingen soll.
Definition von Artikulation – Teil 1
Nun besteht ja ein Musikstück nicht nur aus einem einzelnen Ton, sondern aus vielen Tönen. Stellen Sie sich eine einstimmige Melodie vor: Hier folgen einzelne Töne aufeinander und bilden so ein größeres Ganzes.
Wenn die Artikulation nun aber angibt, wie lange oder wie kurz ein Ton erklingen soll, dann hat das auch Auswirkungen darauf, wie mehrere Töne miteinander verbunden werden. Das hat mit dem Zeitraum zwischen den Tönen zu tun.
Werden lange Töne miteinander verbunden (Musiker sagen auch gerne „gebunden“), ist dieser Zeitraum vollständig mit dem Klangereignis ausgefüllt und die Töne gehen nahtlos ineinander über. Werden kurze Töne miteinander verbunden, ergeben sich Pausen zwischen den Klangereignissen. Die Töne sind dann voneinander abgesetzt:
Der zweite Teil der Definition lautet daher wie folgt:
Die Artikulation in der Musik gibt an, ob aufeinander folgende Töne miteinander verbunden (gebunden) oder voneinander abgesetzt werden.
Definition von Artikulation – Teil 2
Nun können wir die beiden Teile der Definition zusammensetzen und erhalten die vollständige Definition von Artikulation in der Musik:
Die Artikulation in der Musik gibt erstens an, wie lange oder wie kurz ein Ton erklingen soll, und zweitens, ob aufeinander folgende Töne miteinander verbunden (gebunden) oder voneinander abgesetzt werden.
Definition von Artikulation in der Musik – vollständig
Schön einfach wäre es, wenn die Artikulation immer ein Entweder-oder wäre: Entweder kurz oder lang, entweder verbunden oder abgesetzt. Ganz so eindeutig ist es aber nicht. Vielmehr existieren viele verschiedene Abstufungen davon, wie lang, wie kurz, wie verbunden und wie abgesetzt Töne sein können. Mehr dazu lesen Sie im Folgenden.
Die wichtigsten Artikulationsarten – Tabelle, Hörbeispiele, Spickzettel
Mit den wichtigsten Artikulationsarten wird angegeben, wie lang, wie kurz, wie verbunden (gebunden) und wie abgesetzt Töne sein sollen. Am häufigsten verwendet werden die Begriffe legatissimo (extrem gebunden), legato (gebunden), tenuto (gehalten), portato (getragen), non legato (nicht gebunden), staccato (abgesetzt) und staccatissimo (stark abgesetzt).
In der folgenden Tabelle finden Sie die wichtigsten Artikulationsarten mit den dazugehörigen Artikulationssymbolen und Artikulationszeichen. Damit Sie sich darunter mehr vorstellen können, habe ich für jede Artikulationsart auch ein Schema erstellt.
Tabelle
Bezeichnung | Beschreibung | Schema | Symbol/Zeichen/Notation |
---|---|---|---|
legatissimo | Extrem gebunden. Die Töne folgen ohne Unterbrechung aufeinander und können sogar ineinander klingen. | ||
legato | Gebunden. Die Töne folgen ohne Unterbrechung aufeinander. | ||
tenuto | Gehalten. Die Töne werden in ihrer vollen Länge ausgehalten, aber nicht miteinander verbunden. | ||
portato | Getragen. Die Töne werden mit leichtem Nachdruck vorgetragen. Die Pause zwischen den Tönen ist minimal. | ||
non legato | Nicht gebunden. Die "neutrale" Artikulation. Die Töne werden voneinander abgesetzt, wobei die Pause zwischen den Tönen länger als beim portato und kürzer als beim staccato ist. | ||
staccato | Abgesetzt. Die Töne werden kurz gespielt, sodass sie kürzer erklingen, als sie eigentlich notiert sind. Die Pause zwischen den Tönen wird dadurch größer. | ||
staccatissimo | Stark abgesetzt. Die Töne werden so kurz wie möglich gespielt. Dadurch wird die Pause zwischen den Tönen noch größer als beim staccato. |
Hörbeispiele
Nun wird es aber Zeit, die Unterschiede der verschiedenen Artikulationen auch zu hören! Dazu habe ich für jede Artikulationsart ein kurzes Hörbeispiel aus der klassischen Musik für Sie herausgesucht. Alle Hörbeispiele stammen aus Johannes Brahms‘ Haydn-Variationen. Dieses Stück ist besonders gut geeignet, um verschiedene Artikulationsarten kennenzulernen, weil Brahms diese auf engem Raum aufeinander folgen lässt.
Es spielt das WDR Sinfonieorchester unter der Leitung von Cristian Măcelaru.
Beispiel 1/7: Legatissimo
Beispiel 2/7: Legato
Beispiel 3/7: Tenuto
Beispiel 4/7: Portato
Beispiel 5/7: Non Legato
Beispiel 6/7: Staccato
Beispiel 7/7: Staccatissimo
Spickzettel Artikulation (Musik)
War das ein bisschen viel auf einmal? Kein Problem. Hier können Sie einen Spickzettel zur Artikulation in der Musik herunterladen.
Sie finden darauf noch einmal die Definition sowie die Tabelle der wichtigsten Artikulationsarten.
Für Fortgeschrittene: Alternative Schreibweise mit Pausen und noch mehr Angaben
Wenn Sie schon etwas mehr mit der musikalischen Notation vertraut sind, stellen Sie sich vielleicht die folgende Frage: Kann man kurze Notenwerte nicht auch einfach mit Pausen notieren? Recht haben Sie. Alle Artikulationsarten, bei denen die Noten nicht miteinander verbunden werden, können natürlich alternativ mit Pausen geschrieben werden. Zum Beispiel so:
Außerdem wissen Sie vielleicht schon, dass es außer den oben genannten Grundbezeichnungen noch viel mehr Angaben für die Artikulation in der Musik gibt. Diese habe ich in diesem Artikel aufgelistet.
Warum und für wen ist die Artikulation wichtig?
Aber wozu braucht man denn nun die Artikulation in der Musik? Ist sie wirklich so wichtig?
Die kurze Antwort lautet: Ja, ist sie. Die Artikulation ist ein wichtiges Werkzeug, um musikalische Interpretationen zu formen. Im Folgenden möchte ich darauf aus Dirigentensicht etwas näher eingehen.
Aus Dirigentensicht
Je nachdem, wie ausführlich der Komponist die Artikulation bereits in den Noten angibt, muss man als Dirigent mehr oder weniger selbst entscheiden. Es gibt Komponisten, die extrem viele Artikulationsangaben machen. Béla Bartók ist so ein Fall:
Bartók „sagt“ mit seiner Notation bereits sehr genau, wie diese Stelle artikuliert werden soll. Trotzdem (oder gerade deswegen) gibt es für Dirigenten hier noch genug zu tun:
- Fällt Ihnen beispielsweise auf, dass Bartók in Takt 2 und 3 einen Staccatopunkt nach dem Legatobogen notiert, aber nicht in Takt 1? So etwas muss deutlich herausgearbeitet werden.
- Außerdem: Sollen alle Noten gleichmäßig betont werden? Man könnte überlegen, den Noten mit einem Legatobogen etwas mehr Gewicht zu geben.
- Auch interessant: Der Legatobogen „wandert“ in jedem Takt um eine Note weiter nach vorne…
Sehen Sie sich im Gegensatz dazu das Beispiel von Johann Sebastian Bach an:
Bach benutzt weder Artikulationssymbole noch Artikulationszeichen. Kurz: Bach schreibt in den Noten gar keine Artikulation vor. Heißt das, dass einfach alles non legato gespielt werden soll?
Ich denke nicht! Vielmehr ist es hier die Aufgabe des Dirigenten, die Artikulation „herauszufinden“. Das hat damit zu tun, dass viele Artikulations-Konventionen, die zu Bachs Zeiten galten, im Lauf der Zeit verändert wurden oder verloren gingen. Für Bach waren sie jedoch so selbstverständlich, dass er sie nicht hinzuschreiben brauchte.
Die Diskussion, welche Artikulations-Konventionen zu Bachs Zeiten bestanden und wie genau diese aussahen, ist sehr umfangreich und komplex. Sie betrifft das Gebiet der sogenannten historischen Aufführungspraxis. Da dieses Gebiet viel zu komplex für diesen Überblicksartikel zur Artikulation in der Musik ist, verlinke ich hier auf einen entsprechenden Artikel.
Das Beispiel von Johann Sebastian Bach könnte wie folgt artikuliert werden:
Übrigens: Die Diskussion, wie viel man als Dirigent in solche nicht bezeichneten Stücke „hineininterpretieren“ darf, betrifft nicht nur die Artikulation, sondern auch viele andere Aspekte der Musik, zum Beispiel die Dynamik (Lautstärke).
Viele berühmte Dirigenten haben damit experimentiert. Sehen Sie sich zum Beispiel an, wie Leonard Bernstein verschiedene Interpretationen von Johann Sebastian Bachs Klavierkonzert Nr. 1 ausprobiert, kommentiert und gegeneinander abwägt (bitte Ton anschalten!):
Von Bedeutung ist die Artikulation darüber hinaus für Komponisten. Filmmusikkomponisten nutzen die Artikulation neben vielen anderen Bausteinen zum Beispiel dazu, um Emotionen in der Musik abzubilden.
Abgrenzung von der Phrasierung
Immer wieder ist zu lesen, dass man mithilfe der Artikulation phrasieren könne. Das ist eigentlich nicht richtig, denn Artikulation und Phrasierung wirken auf verschiedenen Ebenen. Während die Artikulation in der Musik auf der Mikroebene wirkt (es geht, wie sie inzwischen wissen, um die Einzeltöne und deren Verbindungen), beschreibt die Phrasierung, wie größere musikalische Einheiten (Figuren, Motive, Themen…) miteinander in Beziehung treten.
Dieser Unterschied ist insofern wichtig, als der sogenannte Phrasierungsbogen, der in der Romantik aufkam, nicht mit dem oben genannten Legatobogen verwechselt werden darf, auch wenn beide Bögen in den Noten identisch aussehen. Während der Legatobogen eine Artikulationsart beschreibt, verdeutlicht der Phrasierungsbogen die Phrasierung.
Artikulation (Musik) – die häufigsten Fragen
Nun wissen Sie etwas genauer über die Artikulation in der Musik Bescheid. Im Folgenden finden Sie kurze Antworten auf die häufigsten Fragen zur Artikulation.
Die Spielweise ist die Artikulation in der Musik. Diese beschreibt zwei Dinge: Erstens, wie ein Ton gebildet wird, zweitens, wie mehrere Töne miteinander verbunden werden.
Legato bedeutet in der Musik, dass aufeinander folgende Töne miteinander verbunden werden. Es entsteht keine Pause zwischen den Tönen und die Töne können leicht ineinander übergehen.
Non legato bedeutet in der Musik, dass aufeinander folgende Töne nicht miteinander verbunden werden. Es entsteht eine kurze Pause zwischen den Tönen, die kürzer ist als beim staccato und länger als beim legato.
Portato bedeutet in der Musik, dass Töne mit leichtem Nachdruck gespielt werden. Aufeinander folgende Töne werden voneinander getrennt. Diese Trennung ist aber nur minimal.
Jonathan Stark – Dirigent
Hallo! Ich bin Jonathan Stark. Als Dirigent ist es mir wichtig, dass Konzert- und Opernbesuche beim Publikum einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Dabei hilft Hintergrundwissen. Deshalb blogge ich hier über Schlüsselwerke der klassischen Musik, über Komponisten und Komponistinnen, über die Oper und vieles mehr, was sich in der aufregenden Musikwelt ereignet.