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Gustav Holsts Karriere: eine Achterbahnfahrt (Frühling-2023-Mini-Erlebnis Teil 3/3)

Nachdem Sie in Teil 2 mit Anton Bruckner einen „Zinnsoldaten“ kennengelernt haben, steht heute ein „Achterbahnfahrer“ im Mittelpunkt. (Wenn Sie sich fragen, was mit diesen Begriffen gemeint ist – in Teil 1 erfahren Sie es 😉)

Zwischen Zinnsoldaten und Achterbahnfahrern gibt es eine Gemeinsamkeit und einen Unterschied. Die Gemeinsamkeit ist, dass ein einzelnes Stück für den Durchbruch sorgt. Der (tragische) Unterschied ist, dass Achterbahnfahrer nach ihrem Durchbruch wieder in Vergessenheit geraten… (was nicht heißt, dass sie nicht „wiederentdeckt“ werden könnten – manchmal Jahrzehnte oder Jahrhunderte nach ihrem Tod).

Der Karriereverlauf eines Achterbahnfahrers sieht so aus:

Komponistenalter-Bekanntheit-C

Nun gibt es – genau wie bei den Senkrechtstartern und Zinnsoldaten – viiiiiele Achterbahnfahrer in der Musikgeschichte. Einer von ihnen ist der britische Komponist Gustav Holst (1874–1934).

Das Auf und Ab von Gustav Holst

Was macht Gustav Holst zu einem Achterbahnfahrer? Es ist die Abwechslung zwischen (in der Regel großen) Misserfolgen und (in der Regel kleinen) Erfolgen. Sehen wir uns das einmal genauer an. Hier sind 6 Situationen aus dem Leben von Gustav Holst, in denen nicht alles nach Plan lief:

  1. Gustav Holst wollte eigentlich Pianist werden. Das wurde aber nichts – wegen einer Nervenentzündung (kommt Ihnen das bekannt vor? Bei Robert Schumann war das ähnlich…)
  2. Mit dem Musikstudium war es auch nicht so einfach, denn Holst bekam kein Stipendium. Sein Vater musste das (teure) Studium aus eigener Tasche bezahlen. Noch dazu musste Holst gezwungenermaßen (siehe Punkt 1) während des Studiums sein Hauptinstrument wechseln (vom Klavier zur Posaune).
  3. Dass Holsts Leistungen im Studium nach diesen Startschwierigkeiten nicht gerade berauschend waren, dürfte niemanden überraschen. Am schlimmsten fand er den Kontrapunkt (mit dem sich viele Musikstudenten bis heute herumquälen). Private Kontrapunkt-Nachhilfe musste also her… den Vater wird es nicht gefreut haben…
  4. Am Ende dieses alles andere als glanzvollen Studiums war Holst pleite.
  5. Obwohl er immer wieder als Organist und Chorleiter aushalf, bekam er keine Stelle. Die Stellen gingen immer an seine Konkurrenten…
  6. Erfolge bei großen Kompositionswettbewerben blieben auch aus.

Klingt alles eher zermürbend, nicht wahr?

Aber, wie gesagt: In der Karriere eines Achterbahnfahrers geht es nicht immer nur abwärts. Es wäre also unfair, nur die Misserfolge darzustellen, denn kleine Zwischenerfolge gab es immer wieder…

  1. Holst hat mit großem Enthusiasmus unterrichtet. Er war Musiklehrer an einer Mädchenschule in Südlondon, wo er sehr beliebt war.
  2. Einzelne Aufführungen seiner Werke bekamen positive Kritiken, zum Beispiel die Kinderoperette Fairy Pantomime of Cinderella und die Cotswolds Symphony.
  3. Holst gewann mehrmals den ersten Preis beim Kompositionswettbewerb einer Jugendzeitschrift.

Aber irgendwie…reichte das alles nicht. Kennen Sie dieses Gefühl, wenn die Misserfolge die Erfolge immer überwiegen? So muss es Holst gegangen sein.

Aber Sie wissen ja: Die Achterbahnfahrer bekommen ihren Durchbruch irgendwann. Und so war es auch bei Gustav Holst. Denn es kam das Jahr 1913, in dem Holst einen Urlaub auf Mallorca verbrachte…

Wozu ein Mallorca-Urlaub gut sein kann!

Dort hat er vermutlich ziemlich viel in den Himmel geguckt, denn er entwickelte ein großes Interesse für Astrologie. Was zunächst nur ein Hobby war (Holst erstellte Horoskope für Bekannte), reifte zu einer großen Idee…

…warum die Astrologie nicht zu Musik machen?

Zwischen 1914 und 1916 arbeitete Holst an jenem Orchesterwerk, das zum größten Erfolg seines Lebens werden sollte: Die Planeten. Jeder Planet wird in diesem Stück musikalisch charakterisiert (wenn Sie mehr über dieses Stück erfahren möchten: Hier habe ich Holsts Planeten vorgestellt).

Bereits eine private Uraufführung der Planeten am 29. September 1918 war ermutigend – ein reißender Publikumserfolg wurde jedoch die öffentliche Uraufführung kurze Zeit später.

Plötzlich war Holst ein sehr populärer Komponist…

…aber vergessen Sie das tragische Schicksal der Achterbahnfahrer nicht: Ihr Durchbruch ist nicht nachhaltig. Holst konnte nie wieder an den Erfolg der Planeten anknüpfen, seine Popularität ließ, auch aufgrund von erfolglosen Uraufführungen (At the Boar’s Head und First Choral Symphony), gegen Ende seines Lebens wieder nach. Ach…

…und dann kommt auch noch diese gnadenlos selektive Musikgeschichte dazu: Haben Sie jemals eine Vorstellung von At the Boar’s Head erlebt? Ich nicht. Das heißt nicht, dass die Musik schlecht wäre. Sie hat sich (bislang) im Musikbetrieb nur einfach nicht durchgesetzt. Was aber sehr häufig gespielt wird, das sind natürlich – Die Planeten.

Ich hoffe, Sie haben das Frühling-2023-Mini-Erlebnis genossen. Sie haben je einen Zinnsoldaten und einen Achterbahnfahrer kennengelernt – die Musikgeschichte ist aber voll von ihnen. Es lohnt sich, sie und ihre Werke zu entdecken.

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