Für viele Konzertbesucher ist es ein Rätsel: Wofür braucht der Dirigent einen Taktstock? Tatsächlich ist der Taktstock für uns Dirigenten ein äußerst nützliches Werkzeug. Im Folgenden erkläre ich, warum.
Das lesen Sie in diesem Artikel:
Es ist das grundlegende Problem, das uns Dirigenten zu schaffen macht: Wir selbst machen keine hörbare Musik. Immer und überall sind wir darauf angewiesen, mit kooperativen Musikern zusammenzuarbeiten. Daran ändert auch unser „Instrument“, der Taktstock (oder Dirigierstab), nichts. Wir lieben ihn dennoch. Denn er unterstützt uns bei zahlreichen Aspekten des Dirigierens.
Was kann der Taktstock?
Der Taktstock hilft dabei, mit knappen Bewegungen das Tempo eines Musikstückes anzuzeigen. Darüber hinaus existiert für jede Taktart eine standardisierte „Schlagfigur“ – diese „Zeichensprache“ wird überall auf der Welt, von Washington bis Melbourne, von den Orchestern verstanden. Darauf sind wir Dirigenten natürlich stolz. Wer spricht schon eine Sprache, die überall auf der Welt verstanden wird? 😊 Schließlich hilft der Dirigierstab auch dabei, Einsätze zu geben oder interpretatorische Details hervorzuheben.
Ist der Taktstock wirklich notwendig?
Vielleicht fragen Sie sich nun, ob all die oben beschriebenen Dirigieraufgaben nicht auch ohne den Taktstock bewältigt werden können. Sie haben recht. Der Taktstock ist keine notwendige Bedingung für gelungenes Dirigieren. Er ist unter bestimmten Voraussetzungen aber ausgesprochen nützlich:
- Der Taktstock vergrößert die Dirigierbewegungen. Das ist auch der Grund, warum er im 19. und 20. Jahrhundert immer beliebter wurde. In dieser Zeit wurden die Orchester immer größer. Beim Dirigieren ohne Stab sind die Dirigierbewegungen aus größerer Entfernung schlecht zu erkennen.
- Aufgrund seiner Lackierung sorgt der Taktstock generell für Sichtbarkeit. Das ist vor allem in der Oper entscheidend, wo es im Orchestergraben per se dunkel ist und oft noch die wechselnden Lichtverhältnisse der Inszenierung hinzukommen. Daher meine Meinung: In der Oper ist ein Dirigierstab Pflicht. Trotzdem darf nicht verschwiegen werden, dass es prominente Gegenbeispiele gibt, etwa Nikolaus Harnoncourt.
Wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, braucht es auch keinen Taktstock. Fast alle Chordirigenten dirigieren beispielsweise ohne Stab, und das völlig zu Recht. Ein Chorklang lässt sich mit zwei freien Händen viel intensiver formen, als wenn eine Hand durch den Dirigierstab „blockiert“ wird.
Die Entwicklung des Dirigierstabes
Wie bereits angedeutet, verbreitete sich der Dirigierstab, wie wir ihn heute kennen, erst mit dem Anwachsen der Orchestergröße. Zuvor wurden anstelle des Stabes einfache Hilfsmittel verwendet, beispielsweise zusammengerolltes Notenpapier. Insbesondere in der Oper war es üblich, dass sich der erste Geiger und der Cembalist (bei dem es sich oft gleichzeitig um den Komponisten handelte) die Leitungsfunktion teilten. So dürfte es beispielsweise als gesichert gelten, dass Wolfgang Amadeus Mozart die Uraufführung seines Don Giovanni am 29. Oktober 1787 im Prager Ständetheater vom Cembalo aus leitete.
Jonathan Stark – Dirigent
Hallo! Ich bin Jonathan Stark. Als Dirigent ist es mir wichtig, dass Konzert- und Opernbesuche beim Publikum einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Dabei hilft Hintergrundwissen. Deshalb blogge ich hier über Schlüsselwerke der klassischen Musik, über Komponisten und Komponistinnen, über die Oper und vieles mehr, was sich in der aufregenden Musikwelt ereignet.