Der Frack dürfte neben dem Taktstock wohl das auffälligste Markenzeichen eines Dirigenten sein – auch wenn schon längst nicht mehr alle Dirigenten regelmäßig im Frack auftreten. Ein paar Gedanken zu Geschichte, Sinn und Zweck dieses festlichen Kleidungsstückes.
Das lesen Sie in diesem Artikel:
Frack tragen als Musiker – warum eigentlich?
Die heutigen Orchester haben, zumindest im deutschsprachigen Raum, traditionsreiche Vorgänger: die Hofkapellen. Es dürfte Sie wohl nicht verwundern, dass in den Hofkapellen eine strenge Kleiderordnung herrschte – musiziert wurde, selbstverständlich, in Uniform.
Nun verlagerte sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts das öffentliche Musikgeschehen zunehmend von den Höfen in die öffentlichen Konzertsäle. In diesem neuen zivilen Kontext war die Uniform eher unangebracht. Es musste eine neue Kleiderordnung her, die einerseits als gesellschaftliche Abendgarderobe geeignet war, andererseits aber auch die Zusammengehörigkeit der Orchestermusiker widerspiegelte – diese Aufgabe hatte ja zuvor die Uniform übernommen.
Praktisch, dass sich der schwarze Frack als „großer Gesellschaftsanzug“ bereits durchgesetzt hatte. Folgerichtig wurde der Frack zur neuen Berufskleidung der Orchestermusiker. Das Tragen eines Fracks im Konzert ist heutzutage in manchen Klangkörpern sogar tarifvertraglich vorgeschrieben.
Vielleicht ist es ein bisschen inkonsequent von mir, den Frack in die Reihe der Conductor’s Tools aufzunehmen – denn gerade unter Dirigenten sind auch viele andere Kleidungsstücke verbreitet. Die Bandbreite reicht vom simplen schwarzen Hemd bis zum Kimono. Trotzdem: Wer die gute alte Schule respektiert, trägt Frack – auch und gerade als Dirigent. Allerdings: Die gute alte Schule schreibt auch genau vor, wann der Frack zu tragen ist – und wann nicht.
Das Konzert als festlicher Anlass
Streng genommen darf der Frack nämlich nur am Abend getragen werden – am Nachmittag ist hingegen der Cutaway oder der Stresemann bei den Herren das Kleidungsstück der Wahl. Viele Konzerte finden nachmittags statt – Abonnementkonzerte sogar häufig am Sonntagvormittag. Wie streng man sich als Dirigent an diese Bekleidungskonventionen halten möchte, ist eine persönliche Entscheidung. Klar ist: Der festlichen Atmosphäre eines abendlichen Konzertes am ehesten angemessen ist und bleibt der Frack.
Dieses besondere Kleidungsstück spiegelt die Eleganz und Besonderheit des Konzert- oder Opernerlebnisses wider – und das ist gut so. Dabei hat der Frack jedoch ein zugegebenermaßen banales, aber doch entscheidendes Problem: Er ist für das Musizieren eigentlich zu heiß, zu eng und zu unbequem. Was tun?
Frack für Musiker: Materialien aus dem Hochleistungssport?
In einem früheren Artikel bin ich ja schon einmal darauf eingegangen, dass das Musizieren einer Oper mit Hochleistungssport vergleichbar ist. Erstaunlich, dass die Musikerbekleidung diesem Umstand noch bis vor Kurzem keine Rechnung trug. Während Sportbekleidung aus hochentwickelten, atmungsaktiven Materialien gefertigt wird, sitzen Orchestermusiker meist in Schurwolle im Orchestergraben.
Erfreulicherweise sind in jüngster Zeit immer mehr Ansätze auszumachen, den Frack an die Tätigkeit eines Musikers anzupassen. In Wien gibt es beispielsweise den Herrenausstatter Frack & Co, der einen speziellen Musikerfrack anbietet. Auch mein eigener Frack stammt von dort. Zu nennen ist auch noch das Unternehmen Woolwind, das in Zusammenarbeit mit den Bamberger Symphonikern ein neues Frackkonzept entwickelt und patentiert hat.
Jonathan Stark – Dirigent
Hallo! Ich bin Jonathan Stark. Als Dirigent ist es mir wichtig, dass Konzert- und Opernbesuche beim Publikum einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Dabei hilft Hintergrundwissen. Deshalb blogge ich hier über Schlüsselwerke der klassischen Musik, über Komponisten und Komponistinnen, über die Oper und vieles mehr, was sich in der aufregenden Musikwelt ereignet.