Es gibt klassische Komponisten, die sehr früh in ihrem Leben berühmt geworden sind. Sie haben in jungen Jahren Erfolge gefeiert und einflussreiche Personen kennengelernt. Sie waren richtige Senkrechtstarter.
Es gibt aber auch Komponisten, deren Karrieren ganz anders verlaufen sind. Nicht kometenhaft, sondern mühsam oder sogar holprig.
Mehr dazu gleich. Lassen Sie uns zuerst 3 typische Senkrechtstarter ansehen, damit wir wissen, dass wir alle von derselben Sache sprechen…
Senkrechtstarter Nr. 1: Mozart
Haben Sie beim Lesen des ersten Absatzes auch gleich an Mozart gedacht? Dann sind Sie nicht alleine. Wer an frühen Erfolg in der klassischen Musik denkt, denkt meistens zuerst an Mozart.
Keine Frage, nicht alles in Mozarts Jugend war perfekt. Er hat zum Beispiel einmal in Italien eine „Aufnahmeprüfung“ in den Sand gesetzt (man glaubt es kaum).
Trotzdem: Mozarts früher Erfolg lässt sich nicht wegdiskutieren. Als Mozart volljährig war, hatte er schon die Bekanntschaft mit allen Reichen und Schönen in Europa gemacht. Mit gerade einmal 14 Jahren wurde er vom Papst zum Ritter vom Goldenen Sporn ernannt – das ist (bis heute) der zweithöchste Orden für Verdienste um die römisch-katholische Kirche. Das ist schon was.
Mozart ist so etwas wie der „Prototyp“ eines Senkrechtstarters. Viele andere Senkrechtstarter stehen in Mozarts Schatten. Zum Beispiel…
Senkrechtstarter Nr. 2: Mendelssohn
Der Senkrechtstart von Felix Mendelssohn Bartholdy ist durchaus mit dem von Mozart zu vergleichen. Nicht nur, dass Mendelssohn mit 9 Jahren zum ersten Mal öffentlich am Klavier auftrat, er hatte auch früh einflussreiche Freunde:
Mit 12 Jahren lernte er Goethe kennen (huiuiui!), mit 16 Jahren hatte er bereits die Bekanntschaft mit den damals seeeehr prominenten Komponisten Rossini, Meyerbeer und Cherubini gemacht.
Apropos Rossini…
Senkrechtstarter Nr. 3: Rossini
Rossinis Jugend verlief zwar nicht ganz so glänzend wie bei Mozart und Mendelssohn, seine erste erfolgreiche Oper (der noch viele weitere folgen sollten) schrieb er „erst“ mit 21 Jahren. Dafür brachte er es dann so schnell zu Weltruhm, dass er mit 38 Jahren aufgehört hat zu komponieren.
Ja, wirklich.
Danach war er hauptberuflicher Feinschmecker. Davon zeugt auch seine Leibesfülle (und die Tatsache, dass er als einziger der hier präsentierten Komponisten nicht in ein Hochformat-Bild passt 😊). Auch nicht schlecht.
Mozart, Mendelssohn und Rossini sind also 3 (von vielen!) Beispielen für Senkrechtstarter: Sie haben früh in ihrem Leben die öffentliche „Wahrnehmungsschwelle“ überschritten, was sie berühmt gemacht hat. In einem Schaubild (Komponistenalter/öffentliche Wahrnehmung) würde das so aussehen:
Als ich dieses Schaubild erstellt habe, ist mir eine Frage förmlich entgegengesprungen. Geht es Ihnen auch so? Wenn ich das Senkrechtstarter-Schaubild anschaue, dann frage ich mich…
…müsste das nicht auch anders gehen?
Müsste es nicht auch Komponisten geben, die keinen Senkrechtstart hingelegt haben, sondern deren Karriereverlauf anders ausgesehen hat?
Zum Beispiel so…
…ein Leben voller Arbeit. Stein auf Stein. Jahrzehntelang völlig unbeachtet. Dann, ganz am Ende: der Durchbruch und endlich die verdiente Anerkennung. Kein Senkrechtstarter, sondern ein preußischer Zinnsoldat.
Noch eine Möglichkeit…
…ein Leben im Zickzack. Mal sieht es nach dem baldigen Durchbruch aus, dann kollabiert mit einem Misserfolg wieder alles. Dann, irgendwann, endlich der Durchbruch…um anschließend wieder vergessen zu werden. Kein Senkrechtstarter, auch kein preußischer Zinnsoldat, sondern ein Achterbahnfahrer.
Warum erzähle ich Ihnen das? Weil die Senkrechtstarter den Großteil der öffentlichen Aufmerksamkeit bekommen. Das ist einerseits berechtigt (sie sind tolle Komponisten), andererseits ein bisschen schade: Es gibt mindestens genauso viele Komponisten, die Zinnsoldaten oder Achterbahnfahrer waren.
Lassen Sie uns also den Zinnsoldaten und Achterbahnfahrern eine Plattform geben. Wenn Sie mit den Lebens- und Karriereverläufen dieser Komponisten sympathisieren, dann ist das Frühling-2023-Mini-Erlebnis für Sie gemacht.
Denn Sie werden in den nächsten zwei Teilen dieses Mini-Erlebnisses einen Zinnsoldaten und einen Achterbahnfahrer kennenlernen – und natürlich jeweils ihr zentrales Werk, das ihnen zum Durchbruch verholfen hat.
In Teil 2 geht es mit einem Zinnsoldaten los…