Wie wird man als Komponist erfolgreich? Ganz einfach, sagt Gian Carlo Menotti: Warten, bis man 90 Jahre alt ist.
Mein Rat an die Komponisten lautet:
„Versuchen Sie, 90 zu werden, und alle werden Sie lieben“.
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Wer war Gian Carlo Menotti?
Gian Carlo Menotti (1911–2007) war ein italoamerikanischer Komponist. Bekanntheit erlangte er vor allem als Opernkomponist. Vielleicht kennen Sie sogar Menottis Oper Hilfe, Hilfe, die Globolinks? Es handelt sich dabei um eine Science-Fiction-Oper (nicht nur) für Kinder. Die Uraufführung der deutschen Fassung von Hilfe, Hilfe, die Globolinks fand heute vor 52 Jahren in Hamburg statt.
Menotti, der „Traditionalist“
Wenn in Fachkreisen über Menottis musikalischen Stil gesprochen wird, fällt früher oder später meist der Begriff „Traditionalist“. Im engsten Wortsinn ist damit gemeint, dass Menotti nicht alle kompositorischen Trends der „Mainstream“-Neuen Musik zwischen 1950 und 2000 mitmachte. Er blieb bei der Dur-/Moll-Tonalität und eher klassisch-romantischen Strukturen.
Dass mit der Bezeichnung „Traditionalist“ häufig ein abwertendes Qualitätsurteil einhergeht, ist bedauerlich. Ich halte Menotti für einen äußerst fähigen Komponisten mit einem feinen Gespür für dramatische Verläufe (was insbesondere in der Oper wichtig ist). Wenn Sie lachen möchten, sehen Sie sich Menottis Einakter The Telephone an – diese kurze Oper (mit nur zwei Rollen) ist in meinen Augen ein Meisterwerk der musikalischen Unterhaltung.
Neue Musik braucht Zeit, um anzukommen
Menotti kannte das Gefühl, unpopulär zu sein – bereits in den 1960er-Jahren wurde seine Musik in Kritiken wiederholt als „effekthascherisch und schwach“ bezeichnet. Als Kenner der Musikgeschichte nahm Menotti es offenbar mit viel Humor:
Mein Rat an die Komponisten lautet:
„Versuchen Sie, 90 zu werden, und alle werden Sie lieben“.
Menotti spielt hier auf ein Phänomen an, das sich durch die gesamte Musikgeschichte hindurch beobachten lässt: Neue Musik braucht Zeit, um vom Publikum akzeptiert zu werden. Berühmt sind in diesem Zusammenhang die Aussagen Gustav Mahlers, der sich wünschte, seine Werke 50 Jahre später aufführen zu können.
Das Phänomen des „erstarrten Repertoires“ lässt sich mit Zahlen belegen: Das weltweite Opernrepertoire beispielsweise besteht im Großen und Ganzen aus 35 Titeln, die seit Jahrzehnten immer und immer wieder gespielt werden. Unter diesen Titeln befindet sich keine einzige neue Oper – „über Nacht“ zu einem erfolgreichen Opernkomponisten zu werden, ist also die Ausnahme.
Interessant: In den Genres Operette und Musical scheint das anders zu sein. So war beispielsweise Emmerich Kálmáns Operette Die Csárdásfürstin unmittelbar nach der Uraufführung im Wiener Johann Strauß-Theater ein Welthit. Dafür ist in der Operette die Konzentration auf einzelne Komponisten noch größer: Der größte Teil der gespielten Titel stammt von vier Komponisten.
Vor diesem Hintergrund ist Menottis Rat an die Komponisten gar nicht mal so augenzwinkernd, wie er vielleicht zunächst erscheint. Manchmal haben Komponisten eben nur einen Verbündeten – die Zeit.
Jonathan Stark – Dirigent
Hallo! Ich bin Jonathan Stark. Als Dirigent ist es mir wichtig, dass Konzert- und Opernbesuche beim Publikum einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Dabei hilft Hintergrundwissen. Deshalb blogge ich hier über Schlüsselwerke der klassischen Musik, über Komponisten und Komponistinnen, über die Oper und vieles mehr, was sich in der aufregenden Musikwelt ereignet.