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Mozarts Assistenten (2/2)

Mozarts Tage waren vollgepackt mit Arbeit. Wie war das zu schaffen? Die Antwort: Er hatte Assistenten. Zwei davon hielten ihm bis zu seinem letzten Atemzug die Treue.

Im ersten Artikel dieser zweiteiligen Serie ging es um Joseph Weigl, einen Kapellmeister, mit dem Mozart gerne und oft Werke einstudierte. Im heutigen Artikel steht ein Mann im Mittelpunkt, der Mozart vor allem beim Komponieren behilflich war.

Franz Xaver Süßmayr

Franz Xaver Süßmayr ist heute wesentlich bekannter als Joseph Weigl: Süßmayr vollendete Mozarts Requiem. Um diese Vervollständigung ranken sich zahlreiche Mythen. Einer davon ist, dass Mozart Süßmayr das Requiem am Totenbett diktiert habe.

Dieser Mythos hält sich auch aufgrund einer sehr berühmten Szene aus dem Film „Amadeus“ hartnäckig: Dort ist es Antonio Salieri, der das Requiem niederschreibt, das Mozart ihm diktiert. Diese Szene hat mit der Realität zwar nichts zu tun, ist aber große Filmkunst. Es lohnt sich, sie hier noch einmal anzusehen (in diesem Zusammenschnitt sind außerdem die Noten sichtbar, die diktiert werden).

Also – weder Süßmayr noch Salieri haben das Requiem an Mozarts Totenbett diktiert bekommen. Stattdessen konnte Süßmayr Mozarts Requiem vollenden, weil Mozart eine ganz bestimmte Arbeitsweise pflegte. Mehr dazu gleich.

Vorher geht es um eine frühere Zusammenarbeit zwischen Mozart und Süßmayr…

Schnellschreiben im Team: Mozart und Süßmayr komponieren „La clemenza di Tito“

Wenn Mozart eine neue Oper schrieb, war er fast immer unter enormem Zeitdruck. Mozart war ein extremer Schnellschreiber: Die Partitur für Così fan tutte etwa umfasst über 600 eng beschriebene Seiten und entstand in knapp sechs Wochen! Bei Mozarts später Oper La clemenza di Tito war die Zeit dann aber so knapp, dass Mozart sich Hilfe holte…

…indem er Süßmayr bestimmte Teile der Oper komponieren ließ. Wenn Sie Opernfan sind, wissen Sie, dass sich in einer klassischen Oper Teile mit Orchester (die Arien, Ensembles und Chornummern) mit sparsam begleiteten Teilen (den Rezitativen) abwechseln. Faustregel: In den Orchesterteilen zeigt der Komponist, was er kann; in den Rezitativen hingegen wird nach standardisierten kompositorischen Regeln viel Text in kurzer Zeit abgehandelt.

Bei La clemenza di Tito lagerte Mozart die Komposition der Rezitative an Süßmayr aus. Er selbst komponierte die Ouvertüre sowie die Arien, Ensembles und Chornummern. So wurde die Oper in kürzester Zeit fertig.

Süßmayr vollendet das Requiem – Mozarts „Zettelchen“

Zurück zu Mozarts Requiem, durch dessen Vollendung Süßmayr berühmt wurde. Weiter oben habe ich geschrieben, dass die Vollendung nicht an Mozarts Totenbett geschah, sondern durch Mozarts spezielle Arbeitsweise ermöglicht wurde.

Lange Zeit wurde in der Mozartforschung angenommen, dass Mozart während des Kompositionsprozesses keinerlei Notizen und Skizzen anfertigte – einfach deshalb, weil man keine fand. Diese Annahme nährte den Geniekult um Mozart – Mozart als derjenige Komponist, dem alles mühelos zuflog und der die Musik ohne Korrekturen direkt perfekt niederschrieb.

Diese Annahme ist nach aktuellem Forschungsstand falsch.

Bevor Mozart seine Musik niederschrieb, sammelte er Ideen auf kleinen, einzelnen Papierstücken. Es handelt sich dabei um die inzwischen berühmt gewordenen Mozartschen „Zettelchen“. Mit diesen „Zettelchen“ behielt Mozart im Kompositionsprozess den Überblick und konnte Ideen schnell skizzieren. Wenn ein Stück fertig war, wurden die dazugehörigen „Zettelchen“ vernichtet – was blieb, war die Reinschrift.

Auch beim Requiem ging Mozart so vor. Dann starb er, als das Requiem erst zur Hälfte fertig war – aber die „Zettelchen“ waren noch da. Süßmayr nutzte diese als Grundlage, um das Requiem zu vollenden.

Dennoch wurde Süßmayr für seine Ergänzungen oft heftig kritisiert. Der stilistische Bruch zwischen den Teilen von Mozart und Süßmayr – er verläuft zwischen Hostias und Sanctus – ist für geschulte Hörer deutlich wahrnehmbar und muss für die Zeitgenossen noch krasser gewirkt haben.

Süßmayr wurde später übrigens Kapellmeisteradjunkt. Hier schließt sich der Kreis, denn sein Vorgesetzter war – Joseph Weigl 😊

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Jonathan Stark – Dirigent

Hallo! Ich bin Jonathan Stark. Als Dirigent ist es mir wichtig, dass Konzert- und Opernbesuche beim Publikum einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Dabei hilft Hintergrundwissen. Deshalb blogge ich hier über Schlüsselwerke der klassischen Musik, über Komponisten und Komponistinnen, über die Oper und vieles mehr, was sich in der aufregenden Musikwelt ereignet.

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