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Tango – musikalischer und kultureller Schmelztiegel

Mit dem Tango beschließe ich gemeinsam mit Adrian, dem Musiktheorie-GurUHU, die Mini-Artikelserie über Tanzmusik. Der Tango steht für lateinamerikanisches Temperament und erfreut sich auch in Europa stetig zunehmender Beliebtheit. Welche Elemente machen einen Tango aus?

Das lesen Sie in diesem Artikel:

Langsam wird es Zeit, sich für die Ballsaison vorzubereiten. Sie möchten sich nicht nur auf dem Tanzparkett, sondern auch im Smalltalk von Ihrer besten Seite zeigen? Dann lesen Sie hier im StarkConductor Blog die Mini-Artikelserie über Tanzmusik. Im heutigen vierten Teil: der Tango.

Die weiteren Teile der Mini-Artikelserie über Tanzmusik:

  1. Französische Hoftänze im 17. Jahrhundert
  2. Csárdás
  3. Walzer

Tangomusik

Beginnen wir mit der Musik. Es ist vergleichsweise einfach, den musikalischen Rahmen des Tangos in Worte zu fassen: Der Tango ist ein aus Südamerika stammender Gesellschaftstanz im langsamen 2/4- oder 4/8-Takt mit synkopiertem Rhythmus. (Wenn Ihnen das spanisch vorkommt, können Sie hier im StarkConductor Blog nachlesen, was es mit Taktarten und Synkopen auf sich hat.)

Ein musikalisches Beispiel zur Verdeutlichung: Der folgende Klavier-Tango stammt aus der Feder des spanischen Komponisten Isaac Albéniz (1860–1909).

Diese Aufnahme stammt aus dem European Archive und ist Teil der Public Domain. Sie unterliegt keinerlei Beschränkungen bezüglich Copyright und benachbarter oder verwandter Rechte.

Wissen Sie nun bereits alles über den Tango? Natürlich nicht. Adrian, der Musiktheorie-GurUHU, flattert schon ganz aufgeregt.

Adrian, der Musiktheorie-GurUHU
Adrian, der Musiktheorie-GurUHU:

„Der Tango existiert in zwei verschiedenen Formen – einer ursprünglichen und einer modernen. Die ursprüngliche Tanzform sowie die dazugehörige Musik werden Tango Argentino genannt, weil sie aus Argentinien und Uruguay stammen. Die moderne Tanzform des Tangos ist eine Abwandlung des Tango Argentino und wird Internationaler Tango genannt.“

Danke, Adrian.

Adrian hat recht – wie immer. Ganz so einfach ist die Sache mit dem Tango nicht. Um die Entwicklung vom Tango Argentino zum Internationalen Tango nachvollziehen zu können, müssen wir gemeinsam eine Reise in das Buenos Aires des beginnenden 20. Jahrhunderts unternehmen.

Zur Soziologie des Tangos

Buenos Aires, 1895: Die Stadt ist ein kultureller Schmelztiegel. Angespornt durch ein gewaltiges Einwanderungsprogramm der argentinischen Regierung strömen hunderttausende Einwanderer nach Buenos Aires – vor allem Südeuropäer, Juden und Afrikaner. Jede Einwanderungsgruppe bringt ihre eigene Musik mit.

Tango Paar
Der Tango steht für lateinamerikanisches Temperament. An der Entstehung dieses Tanzes waren zahlreiche verschiedene Kulturen und Musikstile beteiligt.

Tango = Candombe + Mazurka + Walzer…

Der Tango war nicht einfach da – er entwickelte sich aus dem Aufeinanderprallen der verschiedenen musikalischen Hintergründe der einzelnen Einwanderergruppen. Stellen Sie sich die Entstehung des Tangos wie das Kochen eines Eintopfs vor – jede Einwanderergruppe bringt eine Zutat (in diesem Fall: Tänze) aus der Heimat mit. Das Ganze wird in einen Topf geworfen und gründlich vermischt – fertig ist der Tango Argentino, die ursprüngliche Form des Tangos.

Die Afrikaner brachten den Candombe mit, die Brasilianer den Maxixe; die Polen fügten die Mazurka, die Böhmen die Polka hinzu. Die Deutschen hatten den Walzer und den Ländler im Gepäck, die Spanier und Kubaner die Habanera.

Sollten Ihnen nun aufgrund all dieser Tanzarten die Ohren klingeln – keine Panik. Die meisten dieser Tanzarten haben Sie garantiert schon einmal gehört, nur haben Sie die dazugehörigen Begrifflichkeiten nicht mit der Musik in Verbindung gebracht.

Darf’s ein Beispiel sein? Sie haben bestimmt schon einmal von der Oper Carmen des französischen Komponisten Georges Bizet gehört – es handelt sich um eine der meistgespielten Opern des Repertoires. Und selbst wenn Sie Carmen nicht kennen sollten, stehen die Chancen gut, dass Ihnen der folgende Ausschnitt der Oper trotzdem bekannt vorkommt:

Diese Aufnahme stammt aus dem European Archive und ist Teil der Public Domain. Sie unterliegt keinerlei Beschränkungen bezüglich Copyright und benachbarter oder verwandter Rechte.

Was Sie hier gerade (möglicherweise zum hundertsten Mal in Ihrem Leben) gehört haben, ist… eine Habanera! War doch gar nicht so schwierig, oder? 😊 Für die detaillierte Erklärung gebe ich, wie gewohnt, an Adrian ab.

Adrian, der Musiktheorie-GurUHU
Adrian, der Musiktheorie-GurUHU:

„Eine Habanera ist ein Tanz afrokubanischen Ursprungs, der im 2/4-Takt gespielt wird, wobei der erste Achtelschlag punktiert wird. Dieser langsame, mit dem Tango verwandte Tanz stammt aus Kubas Hauptstadt Havanna. Er wurde im frühen 19. Jahrhundert aus den europäischen Kontertänzen entwickelt.“ 1

Wie Sie sehen, ist bereits die Habanera eine Weiterentwicklung aus früheren Tanzformen. Ganz ähnlich verhält es sich auch mit allen anderen der oben aufgezählten Tänze. Der Tango hat also einen ganz schön großen „Stammbaum“.

(Übrigens: Gönnen Sie sich doch den Spaß und hören Sie sich noch einmal das erste Hörbeispiel dieses Blogartikels an. Die enge Verwandtschaft zwischen Albéniz‘ Tango und Bizets Habanera dürfte Ihnen recht schnell auffallen…)

Vom Tango Argentino zum Internationalen Tango

Um 1910 brachten Reisende den Tango Argentino nach Europa – und zwar ausgerechnet nach Paris, wo die gesellschaftliche Oberschicht als ganz besonders konservativ galt. Nachdem Sie nun über die Entstehung des Tango Argentino bestens informiert sind, können Sie sich bestimmt vorstellen, dass die Pariser High Society an diesem Tanz nur wenig Gefallen fand. Der Tango Argentino galt in diesen Kreisen als viel zu wild und außerdem als anstößig.

Britische Choreografen entwickelten schließlich die Lösung für dieses unangenehme Problem. Um beim Bild des Eintopfs zu bleiben: Was können Sie tun, wenn Sie jemanden dazu bringen möchten, einen Eintopf zu essen, den dieser Jemand nicht kennt? Klare Sache. Sie müssen den Eintopf mit etwas kombinieren, das bereits bekannt ist.

So machten es auch die britischen Choreografen. Sie passten den Tango Argentino stilistisch an die bereits akzeptierten Gesellschaftstänze an. Etwas provokativer ausgedrückt: Sie bändigten die Rohheit des ursprünglichen Tangos und pressten ihn in die Form der Standardtänze. Das Ergebnis: der Internationale Tango, wie er bis heute als Standard- und Turniertanz gebräuchlich ist.

Das war die Tanzmusik-Miniserie!

Dieser Artikel war der letzte in der Miniserie über Tanzmusik. Gemeinsam mit Adrian hoffe ich sehr, dass die Serie Ihnen Freude bereitet hat. Nun kann die Ballsaison kommen, denn Sie sind fit für das Tanzparkett (und den Smalltalk neben dem Tanzparkett).

Sollte Ihnen die Serie gefallen haben, freue ich mich, wenn Sie sich in den StarkConductor Newsletter eintragen – so bleiben Sie über neu erscheinende Blogartikel und kommende Artikelserien immer bestens informiert.

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Jonathan Stark – Dirigent

Hallo! Ich bin Jonathan Stark. Als Dirigent ist es mir wichtig, dass Konzert- und Opernbesuche beim Publikum einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Dabei hilft Hintergrundwissen. Deshalb blogge ich hier über Schlüsselwerke der klassischen Musik, über Komponisten und Komponistinnen, über die Oper und vieles mehr, was sich in der aufregenden Musikwelt ereignet.

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