Vielleicht kennen Sie das: Beim Aufwachen schwirrt Ihnen eine Tonfolge im Kopf herum. Was machen Sie nun damit? Eine Möglichkeit: mit ein und derselben Tonfolge verschiedene Musikstücke kreieren – mithilfe der Taktart.
Das lesen Sie in diesem Artikel:
Früh am Morgen: ein Einfall ohne Taktart
Es ist früh am Morgen. Sie wachen auf. Eine Tonfolge geht Ihnen nicht aus dem Kopf. Vielleicht handelt es sich wirklich nur um ein paar Töne, möglicherweise aber auch um eine ganze Phrase. Zum Beispiel um etwas in dieser Art:
Was nun? Wenn Sie einfach dazu übergehen, Ihren Morgenkaffee zu trinken und sich nicht weiter um den melodischen Einfall zu kümmern, wäre das sehr schade – denn jede musikalische Idee birgt enormes Potenzial! Aus ein und derselben Idee können Sie ganz verschiedenartige Musik bauen, indem Sie entsprechende musikalische Parameter variieren – zum Beispiel die Taktart.
Adrian, der Musiktheorie-GurUHU:
„Die Taktart eines Stückes beschreibt in der Regel ein Muster gleicher Grundschläge und Zählzeiten, wodurch die grundlegende zeitliche Struktur des Stückes entsteht.“ 1
1Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Takt_(Musik), 11/SEP/2020.
Danke, Adrian.
Wenn Sie Adrian bereits aus früheren Blogposts kennen, wissen Sie, dass er sich gerne gelehrt ausdrückt. Meine Aufgabe ist es dann, seine Aussagen für uns Normalsterbliche zu übersetzen. Ich möchte es einmal so versuchen: Musik ist eine Kunst der Zeit. So, wie Maler*innen Farben auf die Leinwand auftragen, tragen Komponist*innen letztlich Töne auf einen Zeitstrahl auf (natürlich schreiben sie sie physisch betrachtet auf Papier, oder, heutzutage, zumindest in eine Datei – aber dort klingen die Töne ja nicht!):
Schritt für Schritt zur Taktart
Als Komponist*in ist der Zeitstrahl Ihre Leinwand. Nun könnte es sinnvoll sein, diesem Zeitstrahl etwas Struktur zu geben, beispielsweise durch in gleichmäßigen Abständen auftretende Impulse – oder, um es mit Adrian zu sagen, „Grundschläge“:
Das ist schon übersichtlicher. Wenn Sie nun mehrere dieser Grundschläge zusammenfassen, wird es sogar noch übersichtlicher – Sie erhalten Takte.
Jetzt können Sie die Grundschläge in jedem Takt durchzählen – Sie beginnen bei „1“ und zählen aufwärts bis zum Taktstrich. Im nächsten Takt beginnen Sie wieder von vorne. Das ist das, was Adrian mit „Zählzeiten“ meint:
Je nachdem, wie viele Grundschläge Sie in einem Takt zusammenfassen, erhalten Sie verschiedene Taktarten. Im Beispiel sehen Sie einen 2er-Takt; Sie könnten auch jeweils drei Grundschläge zwischen zwei Taktstrichen gruppieren, dann hätten Sie einen 3er Takt. Oder vier, oder sechs… Wofür auch immer Sie sich entscheiden, durch die Gruppierung der Grundschläge erschaffen Sie die grundlegende zeitliche Struktur des Musikstückes. Um beim Vergleich mit der Malerei zu bleiben: Sie haben nun die Grundierung aufgetragen.
Adrian, der Musiktheorie-GurUHU:
„Sag‘ ich doch.“
Ich weiß, Adrian, ich weiß.
Zwei vs. Drei
Was hat all das nun mit Ihrem morgendlichen Einfall zu tun? Nun, verschiedene Taktarten haben verschiedene Betonungsmuster. Ein 2er-Takt beispielsweise folgt dem Betonungsmuster schwer-leicht…
…während ein 3er-Takt aus einer schweren und zwei leichten Zählzeiten besteht:
Das können Sie für Ihre Idee nutzen. Die Tonfolge, die Ihnen morgens eingefallen ist…
…kann sowohl zu frischer Tanzmusik in einem 3er-Takt…
…als auch zu einem langsamen Charakterstück im 2er-Takt werden:
Zugegeben: Zwecks Anschaulichkeit habe ich bei diesen Beispielen nicht nur verschiedene Taktarten verwendet, sondern auch die Prinzipien der einfachen Liedbegleitung angewendet sowie Rhythmus und Tempo angepasst. Mit dem Parameter „Tempo“ wird sich ein zukünftiger Blogpost beschäftigen; über die Möglichkeiten, einer Melodie durch den Rhythmus ein unverwechselbares Profil zu geben, lesen Sie in meinem Blogpost über die Synkope.
Jonathan Stark – Dirigent
Hallo! Ich bin Jonathan Stark. Als Dirigent ist es mir wichtig, dass Konzert- und Opernbesuche beim Publikum einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Dabei hilft Hintergrundwissen. Deshalb blogge ich hier über Schlüsselwerke der klassischen Musik, über Komponisten und Komponistinnen, über die Oper und vieles mehr, was sich in der aufregenden Musikwelt ereignet.
Sie können klar und einfach formulieren, Herr Klar. Kompliment! Aber in einer Grundaussager irren Sie sich: Musik erhält durch die Taktstruktur Bewegung. Und Bewegung vollzieht sich niemals allein in der Zeit, sondern immer zugleich in Raum und Zeit. Musik ist niemals eine zeitliche, sondern immer eine raumzeitliche Kunst. Die Noten erhalten immer und überall ein voneinander abweichendes Gewicht, sie werden dadurch in ihren Werten geordnet.
Dieser Ordnung dieses Auf-und-Abs unterliegen nicht nur nebeneinander liegende Noten, sondern auch jeweils vier Takte: Auch sie steigen und fallen entsprechend einer Sinuskurve. Diese Viertaktschwingung vollzieht sich immer zusammen mit der Taktschwingung. So entstehen aus den Tönen Sätze. Und über die Sätze muss noch eine weitere Schwingung hinzutreten, damit die klassische Musik mit der Zahl Vier verbunden ist: Vier Sätze ergeben die Periode. Nur in dieser Struktur ist klassische Musik komponiert und kann sie verstanden werden.
Vielen Dank für das nette Kompliment und den ausführlichen Kommentar!
Ich kann Ihre Beschreibung der schwingenden Vierereinheiten sehr gut nachvollziehen, Sie beschreiben diesen korrekten Sachverhalt sehr anschaulich. Ich habe momentan noch Schwierigkeiten nachzuvollziehen, inwiefern das den Gedanken im Artikel widerspricht. Mir scheint momentan, Ihre Äußerungen wären eher eine sinnvolle Erweiterung des Artikels als eine geänderte Prämisse. Vielleicht verstehe ich das aber nicht richtig, deshalb wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie das genauer erläutern könnten.