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Walzer – Vielfalt im Dreivierteltakt

Den Walzer kennen Sie – natürlich. Vermutlich hat man Sie sogar früher in der Tanzschule damit gequält. Was dabei oft untergeht: Walzer ist nicht gleich Walzer. Dieser Tanz zeichnet sich durch einen außerordentlich großen Facettenreichtum aus. Adrian und ich geben Ihnen einen Einblick.

Das lesen Sie in diesem Artikel:

Langsam wird es Zeit, sich für die Ballsaison vorzubereiten. Sie möchten sich nicht nur auf dem Tanzparkett, sondern auch im Smalltalk von Ihrer besten Seite zeigen? Dann lesen Sie hier im StarkConductor Blog die Mini-Artikelserie über Tanzmusik. Im heutigen dritten Teil: der Walzer.

Die weiteren Teile der Mini-Artikelserie über Tanzmusik:

1. Französische Hoftänze im 17. Jahrhundert
2. Csárdás
4. Tango

Walzer – wer hat's erfunden?

Die Frage, wer diese berühmte Tanzform erfunden hat, ist gar nicht so einfach zu beantworten. Adrian, weißt Du etwas darüber?

Adrian, der Musiktheorie-GurUHU
Adrian, der Musiktheorie-GurUHU:

„Der Walzer ist der älteste der modernen bürgerlichen Gesellschaftstänze.“ 1

Sehr lustig, Adrian. So richtig konkret ist das ja nicht.

Ich entschuldige mich für Adrian. Aber es ist nun einmal so: Adrian ist ein Uhu, für den die saubere wissenschaftliche Arbeit an oberster Stelle steht. Deshalb werden Sie aus seinem Schnabel auch nur Aussagen vernehmen, die den gesicherten Wissensstand widerspiegeln. Für die Spekulationen bin ich zuständig 😊

Deshalb erzähle ich Ihnen, dass der Walzer höchstwahrscheinlich vom mittelhochdeutschen Wort „walzen“ abgeleitet wurde – das klingt zunächst einmal nicht sonderlich elegant. „Walzen“ bedeutete im Mittelhochdeutschen aber einfach nur „drehen“, und das trifft den Nagel auf den Kopf. Denn egal, welche Art von Walzer Sie tanzen, drehen müssen Sie sich immer.

Walzer Waltz Paar
Ganz gleich, um welche Walzerart es sich handelt – die Drehung ist immer dabei.

Walzer gibt es viele...

Sie haben richtig gelesen: Es gibt mehr als eine Ausprägung dieses beliebten Gesellschaftstanzes. Möglicherweise wissen Sie das noch aus der Tanzschule, wo Sie der Tanzlehrer nach dem gemütlichen Langsamen Walzer mit dem Wiener Walzer über das Parkett gepeitscht hat.

Adrian wird uns gleich beide Varianten erklären, zuvor möchte ich Sie jedoch auf etwas Wichtiges hinweisen: Jede Art von Walzer steht in derselben Taktart, und zwar im Dreivierteltakt. Wenn Sie mehr über Taktarten erfahren möchten, lesen Sie bitte hier weiter.

Adrian, der Musiktheorie-GurUHU
Adrian, der Musiktheorie-GurUHU:

„Der Langsame Walzer ist die gediegene Form des Walzers. Er wird normalerweise bei einem Tempo von ca. 30 Takten pro Minute getanzt. Außerdem können Figuren eingefügt werden.“

Danke, Adrian.

Um zur Ausgangsfrage dieses Artikels zurückzukehren: Wer hat denn nun den Langsamen Walzer erfunden? Was glauben Sie? Geben Sie ruhig einen Tipp ab.

Es war Carl Friedrich Ebers. Ein ganz schön unbekannter deutscher Komponist und Kapellmeister (die gute, alte Berufsbezeichnung für den heutigen Dirigenten), der ein Zeitgenosse von Mozart und Beethoven war. Carl Friedrich Ebers veröffentlichte im Jahr 1806 eine Tanzsammlung, in der die Bezeichnung „Langsamer Walzer“ aufscheint – es ist, nach aktuellem Forschungsstand, die erste Verwendung dieser Bezeichnung.

Adrian, der Musiktheorie-GurUHU
Adrian, der Musiktheorie-GurUHU:

„Der Wiener Walzer ist die schnelle Form des Walzers. Er wird bei einem Tempo von ca. 60 Takten pro Minute getanzt.“

Danke, Adrian.

Sie sehen: Der Wiener Walzer ist doppelt so schnell wie der Langsame Walzer! Das ist ein gewaltiger Unterschied, der sich auch im Schwierigkeitsgrad widerspiegelt. Beide Walzerformen haben sich übrigens ungefähr zeitgleich entwickelt – die erstmalige Erwähnung des Wiener Walzers findet sich im Jahr 1797. Der Wiener Walzer war stets ein Hauptbestandteil der Wiener Operette – weltberühmt war der „Walzerkönig“ Johann Strauss.

Nun kennen Sie bereits den Langsamen Walzer und den Wiener Walzer, die sich in erster Linie im Tempo deutlich unterscheiden (über das Tempo im Allgemeinen haben sich übrigens berühmte Leute geäußert, zum Beispiel Mozart).

Doch das ist längst nicht alles, denn es existieren noch weitere Ausprägungen. Eine davon zeige ich Ihnen im nächsten Abschnitt.

„Maestro, wie sollen wir den Walzer spielen?“

Für uns Dirigenten sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Ausprägungen des Walzers von großer Bedeutung, denn sie haben einen entscheidenden Einfluss auf die Interpretation und den Musizierstil. Als einfaches Beispiel möchte ich Ihnen den Unterschied zwischen einem Wiener Walzer und einem Französischen Walzer zeigen.

Die Wiener Version ist berühmt für ihre prominente Zwei. Damit ist die Musiziertradition gemeint, in der die zweite Zählzeit des Taktes mehr oder weniger weit vorgezogen und außerdem mit deutlich mehr Gewicht gespielt wird („RamZAAAM-zam“ anstelle von „Ram-zam-zam“). Sie kennen das – garantiert – vom alljährlichen Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker aus dem Goldenen Saal des Wiener Musikvereins.

Die französische Version hingegen muss kerzengerade, also ohne die prominente Zwei, musiziert werden („Ram-zam-zam“). Wir Dirigenten tun gut daran, die verschiedenen Walzerformen voneinander unterscheiden zu können – ansonsten würden wir einen Stilfehler begehen, und das ist natürlich verpönt. Leider waren nicht alle Komponisten immer so freundlich, dazuzuschreiben, um welche Art von Walzer es sich handelt – hier kommt es also auf eine gut geschulte Stilsicherheit seitens der Interpreten an.

Nun möchte ich Ihnen gerne die Gelegenheit bieten, die beschriebenen Unterschiede auch hörend nachzuvollziehen. Hören Sie hier im direkten Vergleich den Wiener Walzer Geschichten aus dem Wienerwald von Johann Strauss und Pjotr Iljitsch Tschaikowskis Walzer der Schneeflocken – ein Französischer Walzer, der Bestandteil des berühmten Nussknackers ist:

Walzer Waltz Wienerwald Strauss
Der Wienerwald – musikalisch verewigt von Johann Strauss.

Diese Aufnahme stammt aus dem European Archive und ist Teil der Public Domain. Sie unterliegt keinerlei Beschränkungen bezüglich Copyright und benachbarter oder verwandter Rechte.

Walzer Waltz Snow Tschaikovsky
Die Schneeflocken tanzen bei Tschaikowski.

Diese Aufnahme stammt aus dem European Archive und ist Teil der Public Domain. Sie unterliegt keinerlei Beschränkungen bezüglich Copyright und benachbarter oder verwandter Rechte.

Zum großen Finale: der Tango!

Der nächste Artikel über Tanzmusik wird auch gleichzeitig der letzte dieser Miniserie sein. Was eignet sich am besten als Abschluss? Natürlich lateinamerikanisches Temperament! Deshalb wird sich der letzte Artikel dieser Tanzmusik-Miniserie mit dem Tango beschäftigen.

Bis dahin stöbern Sie doch noch ein bisschen hier im StarkConductor Blog – wenn Sie sich außerdem für den StarkConductor Newsletter eintragen, sind Sie immer über die aktuellen Geschehnisse hier im Blog informiert, und Adrian und ich freuen uns ganz besonders.

Jonathan Stark – Dirigent
Jonathan Stark – Dirigent

Hallo! Ich bin Jonathan Stark. Als Dirigent ist es mir wichtig, dass Konzert- und Opernbesuche beim Publikum einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Dabei hilft Hintergrundwissen. Deshalb blogge ich hier über Schlüsselwerke der klassischen Musik, über Komponisten und Komponistinnen, über die Oper und vieles mehr, was sich in der aufregenden Musikwelt ereignet.

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