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Upgrade your Melody – die Synkope

Stellen Sie sich vor, Sie wären Beethoven. Sie müssen Ihr Publikum mit Ihren Melodien fesseln. Wie machen Sie das? Zum Glück steht Ihnen ein Werkzeugkoffer voller kompositorischer Tricks zur Verfügung. Einer davon: die Synkope.

Das lesen Sie in diesem Artikel:

Synkopen schreiben wie Beethoven

Stellen Sie sich vor, Sie wären Beethoven. Sie schreiben an einer neuen Sinfonie (mittlerweile ist es die neunte – Serien haben sich schon damals gut verkauft). Groß soll sie werden, mit Chor und Orchester, und natürlich erfolgreich, am besten ein richtiger Publikumsmagnet. Der Text, den Sie vertonen möchten, liegt bereits auf Ihrem Schreibtisch:

Deine Zauber binden wieder,
Was die Mode streng geteilt,
Alle Menschen werden Brüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt.

Aus: Friedrich Schiller, „An die Freude“

Wie schreiben Sie dazu nun eine Melodie, die das Publikum von den Sitzen reißt? Als guter Komponist (und wenn Sie Beethoven sind, sind Sie ein guter Komponist) machen Sie zuerst eine gründliche Textanalyse. Wo sind die Schwerpunkte?

Deine Zauber binden wieder,
Was die Mode streng geteilt,
Alle Menschen werden Brüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt.

Es sieht so aus, als würden sich schwere und leichte Silben miteinander abwechseln – ein sogenannter Trochäus. Glück gehabt. Denn das nimmt Ihnen eine kompositorische Entscheidung ab: die Wahl der Taktart.

Die Welt der Musik stellt Ihnen eine Taktart zur Verfügung, deren Schwerpunkte genau einem Trochäus entsprechen. Es handelt sich um den 4/4-Takt (sprich: „Viervierteltakt“), der die Hauptbetonungen auf dem ersten und dritten Viertel („auf 1“ und „auf 3“) und die Nebenbetonungen auf dem zweiten und vierten Viertel („auf 2“ und „auf 4“) hat.

Praktisch, nicht wahr?

4_4-Takt mit Schwerpunkten
"Schwere" und "leichte" Zählzeiten im 4/4-Takt.

Der 4/4 Takt bedeutet, dass Sie Noten (und/oder Pausen) mit einer Gesamtdauer von genau vier Viertelnoten zwischen zwei Taktstrichen unterbringen müssen. Sie können den Takt also mit vier Viertelnoten füllen, mit zwei Halbenoten, mit acht Achtelnoten – oder mit jeder Kombination davon. Hauptsache, am Ende kommen Sie insgesamt auf vier Viertel.

Syncopation Synkope Fillings
Verschiedene Füllungen eines 4/4-Taktes. Von links nach rechts: Vier Viertelnoten; zwei Halbenoten; acht Achtelnoten; eine Viertelnote, eine Viertelpause, eine Achtelpause, drei Achtelnoten.

Synkope – Schritt für Schritt

Vielleicht sind Sie morgens mit einer Melodie im Kopf aufgewacht, die gut in dieses Taktschema passt. Vielleicht fällt Ihnen beim Lesen des Textes, den Sie vertonen müssen, spontan ein Melodiefetzen ein. Vielleicht schreiben Sie auch einfach nur von einem Komponistenkollegen ab (das war zu Zeiten Beethovens üblicher, als Sie vielleicht denken!). Wie auch immer – Sie beginnen nun, zu komponieren:

Syncopation Synkope Beethoven 1
Deine Zauber... erster Versuch.

Hm… Nicht schlecht. Aber so richtig von den Stühlen wird es das Publikum nicht reißen. Sie probieren verschiedene Lösungen. Vielleicht hilft ein anderer Rhythmus?

Syncopation Synkope Beethoven 2
Deine Zauber... zweiter Versuch.

Naja… Nicht wirklich. Außerdem sind jetzt die Endsilben der Worte sehr kurz, was der Textverständlichkeit schaden könnte. Sie verwerfen den geänderten Rhythmus und grübeln, was Sie stattdessen tun könnten. Plötzlich kommt Ihnen die zündende Idee: eine Synkope!

Dann versuchen Sie krampfhaft, sich an Ihre Kompositionsausbildung zu erinnern, und fragen sich: Was war denn das nochmal? (Na gut – das wäre Beethoven wohl nicht passiert 😊).

Synkope – eine Definition

Adrian, der Musiktheorie-GurUHU
Adrian, der Musiktheorie-GurUHU:
„Die Synkope (griechisch; von syn „zugleich“, und kope „Schlag“) ist ein musikalisches Gestaltungsmittel, welches das Betonungsschema eines Taktes aufbricht, indem es eigentlich unbetonte Schläge betont und somit rhythmische Spannung erzeugt.“ 1
1 Elmar Bozetti: Einführung in musikalisches Verstehen und Gestalten. Frankfurt 1988, S. 143. Zitiert von https://de.wikipedia.org/wiki/Synkope_(Musik), 22/AUG/2020

Danke, Adrian!

Sie müssen also einen eigentlich unbetonten Schlag des 4/4 Taktes (also eine „2“ oder eine „4“) ungewöhnlich stark betonen, wenn Ihre Melodie spannend werden soll. Wie machen Sie das? Zum Beispiel, indem Sie eine Note auf einem unbetonten Schlag so verlängern, dass sie noch bis in den nachfolgenden betonten Schlag hineinreicht.

Syncopation Synkope Beethoven 3
Deine Zauber... die Lösung!

Das ist es! Die Anwendung eines einzigen kompositorischen Werkzeugs hebt Ihre Melodie auf ein höheres Level. Bei Beethoven klingt das dann so:

Diese Aufnahme stammt aus dem European Archive und ist Teil der Public Domain. Sie unterliegt keinerlei bekannten Beschränkungen bezüglich Copyright und aller verwandten und benachbarten Rechte.

Übrigens: Das ist bei weitem nicht die einzige Möglichkeit, eine Synkope zu schreiben. Adrian zeigt uns noch eine weitere:

Adrian, der Musiktheorie-GurUHU
Adrian, der Musiktheorie-GurUHU:
Die rhythmische Spannung wird auch oft dadurch erreicht, dass Melodienoten gegenüber dem Viertelnoten-Grundrhythmus des Taktes verschoben werden, meistens durch Einfügen von Achtelnoten.1
Jonathan Stark – Dirigent
Jonathan Stark – Dirigent

Hallo! Ich bin Jonathan Stark. Als Dirigent ist es mir wichtig, dass Konzert- und Opernbesuche beim Publikum einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Dabei hilft Hintergrundwissen. Deshalb blogge ich hier über Schlüsselwerke der klassischen Musik, über Komponisten und Komponistinnen, über die Oper und vieles mehr, was sich in der aufregenden Musikwelt ereignet.

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Klassikpunk

    Hallo Herr Stark,

    Nomen ist Omen, könnte man meinen. Das ist wirklich alles sehr stark erklärt, hier in diesem Blog. Es freut mich, dass ich da zufällig darüber gestolpert bin. Werde sicher viele ihrer Beiträge durchforsten und ihren Blog im Auge behalten.

    Vielen Dank und Liebe Grüße
    Jürgen Pathy aka Klassikpunk

    1. Hallo Herr Pathy,
      vielen Dank für das nette Kompliment, das freut mich sehr! Ich wünsche weiterhin viel Spaß beim Stöbern.
      Herzliche Grüße,
      Jonathan Stark

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